Eicherscheid „Es ist soweit, Gott sei Dank! Wir haben verdammt lange darauf gewartet“, sagte Ludwig Siebertz am Samstag zum Auftakt der Feierlichkeiten anlässlich des 600-jährigen Bestehens des Dorfs Eicherscheid. Er war es, der mit dem Arbeitskreis Geschichte die Zeugnisse entdeckt hatte, wonach das frühere Bundesgolddorf mit seinen charakteristischen Hecken vor 600 Jahren gegründet worden war. Diesen ersten urkundlichen Nachweis galt es an dem sonnigen Wochenende kräftig zu feiern. Der Rahmen passte also hervorragend, damit das Jubiläum endlich über die Bühne gehen konnte. Corona hatte das Fest 2020 ausgebremst. Umso intensiver wurde nachgeholt, was seit 2018 vorbereitet worden war.
Der Schirmherr, Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet, hatte erst wenige Tage zuvor seine Zusage zurückgezogen. Der Druck auf dem CDU-Kanzlerkandidaten, in der heißen Phase des Bundestags-Wahlkampf das politische Blatt noch zu seinen Gunsten zu wenden, war vielleicht zu groß. Ministerieller Ersatz aus Düsseldorf kam nicht zur Matinee am Sonntag.
Siebertz konnte der Verschiebung angesichts des strahlenden Sonnenscheins auch Gutes abgewinnen. Dank der „Bauernschläue, die man den Eicherscheidern nachsagt“, sei das Timing nun genau richtig, meinte er.
Vielfältige Ausstellungen
Auf die zahlreichen Besucher des Festes warteten vielfältige Ausstellungen. Anneliese und Josef Arnolds hatten wertvolle alte Sammelstücke aus ihrem privaten Bauernmuseum bereitgestellt, die im Germania-Sportheim zum Staunen einluden. Attraktiv für viele, die näher hinschauten, waren auch die Stellwände mit über 800 Fotos aus Eicherscheids Vergangenheit, die Ludwig zusammengestellt hatte. Beispielsweise für Dirk Förster, ein Ur-Eicherscheider, wie er betonte, und seine Frau Sonja: Schnell hatte er das eigene Haus entdeckt, dazu ein Foto des Opas. Aber auch eine „Neuentdeckung“ gelang ihm: „Ich wusste nicht, dass unser Haus im Zweiten Weltkrieg zerstört und wieder aufgebaut worden war. Ich dachte, es stammt aus der Zeit danach.“ Solche Aha-Erlebnisse hatten viele Gäste. Etliche zückten die eigene Kamera und machten Repros von diesen historischen Dokumenten.
Auf dem Rasenplatz hatten Beatrix Herrmann und ihr Mann Dirk aus Kürten im Bergischen Land von „Manufacta“ ihre Zeugnisse der Vergangenheit aufgebaut. Dazu gehörte ein Vierschiff-Webstuhl, auf dem Stoffe aus Baumwoll-Leinen gefertigt werden. Unterdessen konnten sich die Kinder bei Wolfgang Wischrath und Markus Bertram mit Schutzschild und Schwert für Ritterspiele ausrüsten. 100 Sets aus Holz hatten die Veranstalter vom Ortskartell Eicherscheid mit Christof Huppertz an der Spitze besorgt – schöne Erinnerungsstücke geschmückt mit dem Ortswappen. Kinder bis zum Alter von zehn Jahren erhielten diese Utensilien kostenlos.
Viel Aufmerksamkeit zog auch Walter Bergsch (68) aus Schmidt auf sich. „Mein ganzes Berufsleben lang war ich Schreiner“, erzählte der Mann, der im Ruhestand sein Hobby, die Stellmacherei, intensiviert hat. Geschickt bearbeitete er mit dem Meißel ein Stück, das eine Nabe für eine Schubkarre werden sollte. Daneben lagen die Stücke, die er zu Speichen und Rädern zusammenfügte, geschützt durch einen Eisenring. „Das ist für eine Schörreskar“, wusste Helmut Hermanns, der Bergsch aufmerksam zuschaute. Das ist „eifelerisch“ für das Gefährt, mit dem früher Mist aus dem Stall gefahren wurde.
Weiter entfernt von der Festhalle „Tenne“ floss „blaues Blut“. Dort hatten die „Freien Ritter zu Monschau“, die eigentlich aus Paustenbach stammen, ihr Lager aufgeschlagen. Das Kommando führten Peter und Inge Gras, pardon: „Graf und Gräfin vom Laufenbach“, wie sie sich nannten. Sie stellen auf Mittelaltermärkten und Heerlagern die Zeit um das 12. und 13. Jahrhundert in „Mons Loci“, eben dem heutigen Monschau, quicklebendig dar.
Ergänzt wurden die Freien Ritter durch die Stolberger Burgritter. Hier war Willi Becker mit Spleißarbeiten in der Seilerei beschäftigt. Begeistert erklärte er sein Handwerk. Gerd Bergheim ließ sich derweil beim „Saarwürgen“ zuschauen. Er rollte einen Draht um einen Stab. Die einzelnen Schlaufen wurden dann abgekniffen und zu Ringen gefügt. Daraus „strickte“ Bergheim, wie er sagte, ein ritterliches Kettenhemd oder einen „Ringelpanzer“.
Vielfältige weitere Beiträge bereicherten die große Jubiläumsfeier – zu viele, um alle im Detail zu würdigen, seien es die Rundfahrten mit Hans-Willi Schophovens bis zu 150 Jahre alten Kutschen, Luzie und Verena Kell mit der Darstellung des früheren Hausfrauenlebens samt „schlimmem Waschtag“, die Eicherscheider Traditionsspeise „Escher Mooß“ (Sauerkraut), die Schäferei Bartz mit ihre Streicheltieren und etliche andere.
Alte Tradition wiederbelebt
Früh waren die Eicherscheider dann am Sonntag auf den Beinen, um mit Pfarrer Michael Stoffels den Gottesdienst in St. Lucia zu feiern. Er erinnerte daran, wie wichtig es für die Menschen sei, „dass sie eine gute Gemeinschaft erfahren, die auch gemeinsam durch Höhen und Tiefen geht“. Der 57-Jährige erzählte, dass er in der Grundschule in Kallmuth erstmals von Eicherscheid erfahren habe, weil der Lehrer Josef Jost daher stammte und von dem Ort vorschwärmte – für ihn vor 50 Jahren „ein Ort wie von einem anderen Stern“. Mittlerweile sei er bereits seit 27 Jahren hier Pfarrer. Die „wertvolle Heimat“, so der Geistliche weiter, gebe den Menschen „das Gefühl, da gehören sie hin“.
Eine alte Tradition wurde danach an der Kirchenmauer wiederbelebt. Walter Nießen schlüpfte in die Rolle des früher gewohnten „Ausrufers“, um die Bekanntmachungen der Gemeinde zu verkünden. Zum Beispiel aus dem Jahr 1925, in dem Eicherscheid nach verheerenden Bränden eine eigene Feuerversicherung ins Leben gerufen hatte, die bis 1965 bestand. Der Steinklotz, auf den Nießen kletterte, war früher oft auch eine Art Pranger, an dem Menschen für Fehlverhalten der Öffentlichkeit preisgegeben wurden.
Nach einem kleinen Festzug der Ortsvereine zum Ehrenmal mit Kranzniederlegung ging es weiter zur Festhalle. Dort trug Christof Huppertz das Absageschreiben von Schirmherr Achim Laschet vor, ergänzt um dessen handschriftliche Ergänzung: „Wenn ich wieder ruhigere Zeiten habe, hole ich meinen Besuch in Eicherscheid nach.“
Ludwig Siebertz vom Arbeitskreis Geschichte trug locker-launig Episoden aus der Geschichte des Dorfes vor, das einst „ein klassisches Kuhdorf war“, wo es aber mittlerweile kein Milchvieh mehr gebe.
Städteregionsrat Dr. Tim Grüttemeier (CDU) zeigte sich erfreut, dass nach der langen Corona-Zwangspause endlich wieder Begegnungen möglich seien. Gerade in den Vereinen, von denen es in Eicherscheid 18 gebe, „lebt vieles vom direkten Kontakt“, sagte Grüttemeier und sprach von einem „Prototypen funktionierender Dorfgemeinschaft, die beispielgebend“ sei. Auch Claudia Moll (MdB/SPD) zeigte sich „total begeistert“, wie dieser Zusammenhalt funktioniere. Ähnlich angetan lobte auch Stefan Kämmerling (MdL/SPD), „wie Sie wohnen, leben, miteinander umgehen“. Bürgermeister Bernd Goffart (CDU) attestierte den Eicherscheidern, oft ihrer Zeit voraus zu sein, indem sie über den ersten Kunstrasenplatz in der Gemeinde und die Tenne verfügten, die Modell für andere geworden seien.
Draußen ging das bunte Treiben weiter, zum Beispiel mit einer Ausstellung historischer Traktoren, Mopeds und Motorräder.